
Sehr geehrte Theaterleitungen, Dramaturg:innen und Theaterkritiker:innen,
Kaum ein Bereich hat sich innerhalb von Theaterproduktionen in den letzten 40 Jahren so stark entwickelt und verändert wie der der Musik. War dieser Bereich früher auf Übergangs- und Zwischenakt-Musiken beschränkt, reicht er heute von 60-minütigen Soundtracks, eigens komponierten Orchesterwerken, Live-Improvisationen bis zu abendfüllenden Geräuschkompositionen - und noch viel weiter, in jeder Produktion individuell verschieden.
Für viele Regisseur:innen ist unsere Arbeit ein unverzichtbares dramaturgisches Mittel – und dennoch spiegelt sich diese Bedeutung weder in der institutionellen Wertschätzung noch in der Vergütung wider. So wie Bühne und Kostüm den sichtbaren Raum definieren, erschafft und definiert Musik den unsichtbaren, emotionalen Raum und ist ein tragendes Element eines gelingenden Theaterabends.
Wir haben, oftmals ohne Assistenz, mehrere Berufe gleichzeitig: Wir sind Komponist:innen. Wir sind Toningenieur:innen, die ihre Bühnensoundtracks selbst aufnehmen, produzieren und technisch einrichten. Wir sind musikalische Leiter:innen, die Live-Musik einstudieren und erarbeiten. Wir sind Impulsgeber:innen auf Proben und wir sind konzeptuelle Mitdenker:innen und Gestalter:innen innerhalb unserer Regie-Teams. Um all dies zu gewährleisten, fließt ein immenser Teil unserer Gagen in die Anschaffung von Instrumenten, Equipment, Soft- und Hardware sowie in die Weiterentwicklung unserer Kunst.
In der Realität der Gagenverhandlungen erleben wir hingegen immer wieder, dass die Musik budgetär hintenangestellt wird – weit unter dem Niveau von Bühne oder Kostüm. Auch die Abendgage von Livemusiker:innen liegt oft deutlich unter der von Schauspieler:innen. Das muss sich ändern.
Auch in der öffentlichen Wahrnehmung zeigt sich das Missverhältnis: Die Wertschätzung und das Bewusstsein des Publikums für gut gesetzte Musik spiegeln sich kaum in Presseberichten wider. In Kritiken wird Musik kaum erwähnt. Oft nicht einmal in einer Randnotiz. Bei den wichtigsten Theaterpreisen im deutschsprachigen Raum existiert keine Kategorie für Theatermusik. Hier wünschen wir uns von Seiten der Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit Unterstützung und Erfindungsreichtum, wie bereits in der Außenpräsentation einer Theaterproduktion und im begleitenden Material (Programmhefte, Social Media, Unterrichtsmaterialien etc.) ein geführtes Erfassen von Musik ermöglicht werden kann.
Wir finden, es braucht ein gemeinsames Umdenken. Wertschätzung beginnt mit Sichtbarkeit. Anerkennung zeigt sich in fairer und genderunabhängiger Vergütung. Die strukturelle Benachteiligung von Komponist:innen und musikalischen Leiter:innen sollte sich 2025 nicht mit veralteten Gepflogenheiten erklären lassen, die unserem heutigen Arbeitsalltag und dem hohen ästhetischen sowie technischen Anspruch an eine Theateraufführung nicht mehr gerecht werden.
Wir haben uns an vielen Häusern bereits einzeln an Sie gewandt.
Nun wenden wir uns geschlossen an Sie.
NETZWERK: THEATERMUSIK